Mühldorfer Anzeiger, Kultur in der Region S. 48 - Sa./So., 23./24. Oktober 2010

VON WOLFGANG HASERER

 

Auf Initiative der "gruppe2004" zeigen fünf Künstler Objekt- und Videoarbeiten im Haberkasten


Was ist Kunst? Oder anders: Ist das überhaupt Kunst? 
Oder schwieriger: Ist das gu
te Kunst? Auch auf der vier
ten Mühldorfer Kunstausstel
lung im Haberkasten stehen 
auch solche Fragen im 
Raum. Natürlich, schließlich 
geht es um zeitgenössische 
Kunst, um modeme Objekt- 
und Videoinstallationen, um 
Neues.
Nun könnte man den Ar
beiten, wie Kulturreferent 
Rainer Schratt begegnen. Der 
formulierte seine Herange
hensweise im Rahmen der 
Vernissage so: "Man sollte 
versuchen, auch diese Kunst 
zu akzeptieren, Entschei
dend ist doch, was für jeden 
hinten rauskommt." Diese 
Ehrlichkeit ehrt den Kultur
referenten, mehr aber auch 
nicht. Denn Schratt fällte 
sein hölzernes Urteil pau
schal, ohne sich zuvor auch 
nur eine Minute eingehender 
mit den Arbeiten der fünf 
Künstler zu beschäftigen.
Das hätte er aber tun sol 
len, Denn - keine Frage - es 
lohnt sich: Und mehr als eine 
Spur Offenheit und Neugier 
braucht es dafür erst einmal 
nicht. Was vor allem daran liegt, dass die Ausstellung ein 
echtes Erlebnis ist. Hier wird 
nicht nur geschaut, hier wird 
gedrückt, geklickt, in Gang 
gesetzt - und Platz genom
men, In Peter Reills Kunst
sauna zum Beispiel. Statt ei
nes Aufgusses wartet auf die 
Wellnesssüchtigen hochwer
tige Kunst auf dem Ofen: Dü
rers Hase glüht da genauso 
wie Michelangelos Zeigefin
ger.
Nebenan wird geturnt. An
negret Bleisteiner setzt sich 
hinweg über Zeit und Raum, 
friert die Bewegung des Tur
ners beim Abgang vom 
Hochreck ein und macht sie 
in ihrer Collage sichtbar. Die 
transparenten Kunststoffplat
ten werden so zu Zeitschich
ten, die Standbilder zur 
Raurilinstallation.
Wer mehr über die Künst
ler und ihre Werke erfahren 
möchte, kann in den so ge
nannten K-Boxen schmö
kern. Geschickt nehmen die 
Initiatoren Ines Auerbach 
und Edwin Hamberger die 
Besucher an die Hand, erläu
tern, was es zu wissen gibt.
Überhaupt: Das ehrenamt
liche Engagement der beiden 
Mitglieder der "gruppe2004" 
kann nicht hoch genug ge
schätzt werden, Auch nach dem Tod von Stefan Engel
hardt haben sie weiterge
macht, Künstler eingeladen - 
und in der Auswahl Finger
spitzengefühl bewiesen.
So lernen die Besucher 
auch die Maschinen von 
Siegfried Urlberger kennen. 
Er baut Geräte, die den Men
schen brauchen, um als Ge
rät zu funktionieren. Die 
Menschen wiederum brau
chen die Geräte um - nach
zulesen in der K-Box - "ihre 
Gier nach Besitz und Macht 
zu befriedigen", Seine "Zen
da" zum Beispiel ist ein mo
torrisiertes Hamsterrad, ein 
eingesperrtes Motor-Tier, das 
auf Knopfdruck immer am 
Gitter seines Käfigs entlang
fährt. Irgendwann wird ein 
Kurzschluss dieses Leben beenden, sagt Urlberger.
Um den Tod dreht sich 
auch die Videoarbeit von 
Kristin Brunner, Die gebürti
ge Mexikanerin lässt ein Ske
lett, ein Kakalaka, ins Jen
seits spazieren, wo es mythi
schen Begleitern der unter
schiedlichsten Kulturkreise 
begegnet. Weitergedacht, er
schafft sie die Kakalaka-Un
terwelt nicht nur aul der 
Leinwand im Haberkasten, 
sondern auch virtuell im In
ternet.
Sich Zeit nehmen sollte 
man sich ganz besonders für 
die beiden Plastiken "Leni
na" von Esther Glück. Die 
scheinbar statischen Köpfe 
auf ihren Sockeln geraten 
plötzlich in Bewegung, erre
gen Aulmerksamkeit, stellen Fragen nach Freiheit, Zu
kunft, Kultur - und Kunst, 
So schließt sich der Kreis.
Und? Ist das nun alles 
Kunst? Oder ist manches nicht doch nur eine techni
sche Spielerei? Wer Antwor
ten sucht, sollte in den Ha
berkasten gehen: Und Kunst 
erleben.

 

Öffnungszeiten
Die Kunstausstellung 2010 im 
Mühldorfer Haberkasten dau
ert bis 7. November. Die Öff
nungszeiten: Mittwoch bis 
Freitag von 15 bis 19 Uhr so
wie Samstag und Sonntag 
von 13 bis 17 Uhr. Führungen 
sind jeweils sonntags um 14 Uhr.